Die Kuh macht Muh und Strom dazu
Matthias Mast, Reporter Jungfrau Zeitung
Gabi und Ueli Luginbühls Bauernhof «Halten» in Horboden im Diemtigtal ist auch ein Kraftwerk! Seit einem Jahr produziert ihre Biogasanlage aus der Gülle und dem Mist der Kühe Strom und Heizungsenergie. Luginbühls Betrieb veranschaulicht eindrücklich, wie die Berglandwirtschaft einen Beitrag zur Energiewende und zur Klimaneutralität leisten kann.
«Es war in erster Linie eine geschäftliche Überlegung» begründet Ueli Luginbühl den Entscheid, eine Biogasanlage zu bauen. Der Meisterlandwirt und seine Ehefrau Gabi Luginbühl, Bäuerin mit Fachausweis, hatten sich seit längerer Zeit darüber Gedanken gemacht, was sie auf ihrem Hof noch zusätzlich machen wollen, um die Einkünfte beziehungsweise auch die Ausgaben zu optimieren. «Eigentlich dachten wir zuerst an eine Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach, was punkto Besonnung sehr gut möglich gewesen wäre» erinnert sich Gabi Luginbühl. Doch es hätten in erster Linie Sicherheits- und gesundheitliche Gründe dagegengesprochen. «Bei einem Brand einer solchen Anlage ist das Löschen enorm schwierig und gefährlich, das ist ähnlich wie bei den Tesla-Autos» sagt Ueli Luginbühl, «doch wir sahen vor allem deshalb von der Fotovoltaik ab, weil uns niemand garantieren konnte, dass der allfällige Elektrosmog die Kühe nicht negativ beeinträchtig und dass sie nicht krank werden.»
Es war dann Niklaus Hari, welcher die Luginbühls für eine Biogas-Anlage begeisterte. Der Biobauer und Unternehmer aus Reichenbach gilt seit Jahrzehnten als Tüftler und Pionier für Biogasanlagen. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Pius Allenbach unterstützt er andere Landwirtschaftsbetriebe dabei, es ihm gleichzutun. Für ihre Pionierarbeit wurden Hari und Allenbach 2020 mit dem Berner Unternehmenspreis in der Kategorie «Neue Energie» ausgezeichnet. «Niklaus Hari hat uns viel geholfen bei der Planung und beim Bau unserer Biogas-Anlage» lobt Ueli Luginbühl seinen Kollegen aus dem Kandertal.
Niklaus Haris grosse Erfahrung war nötig und hilfreich, denn Ueli Luginbühl hatte etliche Hürden zu überwinden, bevor er seine Biogas-Anlage bauen konnte. Bereits im 2016 musste er eine neue Güllegrube bauen, da zu wenig Lagerkapazität für die Wintermonate vorhanden war. Während der Vegetationsruhe ist das Ausbringen von Hofdünger verboten. Auf dem Hof können nun 500 Kubikmeter Gülle gelagert werden.
Zur Freude der Nachbarschaft ist sie jetzt frei von Ammoniak beziehungsweise Methan, welches der Energiegewinnung dient (siehe unten), das heisst: die Gülle stinkt kaum!
Nach der Zusage der KEV (kostendeckende Einspeisevergütung) und der Zusicherung der Stromabnahme im Jahr 2019 ging es für Ueli Luginbühl «a ds Läbige», sprich er musste hinter die Bücher, lerntechnisch und buchhalterisch. Denn eine Biogasanlage gibt es nicht umsonst, und als unternehmerisch denkendes Landwirt-Ehepaar wollten die Luginbühls die Sache geregelt haben und sich nicht in ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang stürzen. Nach vielen Abklärungen und dem Baubewilligungsverfahren war im September 2020 Spatenstich! Dank der guten Zusammenarbeit mit dem lokalen Gewerbe und Eigenleistungen der ganzen Familie, konnte im Januar 2021 erstmals Strom produziert werden. Vom personellen Aufwand her sind es rund ein bis zwei Stunden pro Tag, die für den Betrieb der Biogasanlage nötig sind. «Es ist ein 20 Prozent-Job» so Ueli Luginbühl. Innert zehn Jahren will er die Anlage mit den Netto-Einnahmen aus der Einspeisung ins Stromnetz amortisieren. «Ab dann ist die Anlage Teil unserer Pensionskasse» lacht Ueli Luginbühl.
Doch wer nun denkt, dass alles so einfach ist, à la «die Kühe entleeren sich, das Gülleloch und die Biogasanlage füllen sich, das Methan entfernt sich und schwupps der Strom ist da», ja der täuscht sich! Denn es braucht einiges an Wissen und Können, damit bei voller Leistung der Anlage rund 16 Kilowattstunden pro Stunde produziert werden können (Anmerkung hierzu: In einem Jahr produzieren die Luginbühls mit ihrer Anlage den Strom-Jahresbedarf für 13 Einfamilienhäuser mit 4 Personen.). Mit der Abwärme des Blockheizkraftwerks wird der Inhalt des Fermenter (Gärgrube) auf 40° Celsius erwärmt, um den Bakterien optimale Lebensbedingungen zu ermöglichen. Mit der übrigen Wärme wird das Warmwasser für den ganzen Betrieb und die Wohnungen erzeugt sowie die Wohnungen geheizt.
Das Zauberwort heisst Fermenterbewirtschaftung. «Das ist eine grosse Herausforderung» betont Ueli Luginbühl, «denn man muss immer genau darauf achten, dass der Fermenter regelmässig und optimal «gefüttert» wird, so dass sich die Bakterien darin gut entwickeln können.» Und damit alles bestens klappt, braucht es den entsprechenden Zusatzstoff. «Am besten ist gebrauchtes Fritieröl, ich gebe zurzeit täglich 24 Liter hinzu» verrät der Bauer und Stromerzeuger das Rezept zur Güllen-Bakterienfütterung.
Und da stellt sich bereits die nächste grosse Herausforderung: Woher nehmen? Derzeit kann Ueli Luginbühl gebrauchtes Fritieröl bei drei Restaurants beziehen. «Ich hätte gerne mehr», wünscht sich Ueli Luginbühl. Deshalb zum Schluss dieses Beitrages der Aufruf an alle Wirtinnen und Wirte in der Region Simmental und Thunersee: Meldet Euch bei Ueli Luginbühl in Horboden im Diemtigtal! Wer hätte das vor ein paar Jahren gedacht: Pommes-Genuss unterstützt die biologische Stromproduktion…
Zu den Personen
- Ueli Luginbühl: Meisterlandwirt, Lehrlingsausbildner. Nebenerwerb als Kontrolleur bei der KUL
- Gabi Luginbühl: Bäuerin mit Fachausweis, Pflegefachfrau Teilzeitpensum bei der Spitex Simme
- Das Ehepaar Luginbühl hat vier erwachsene Kinder
Kurzer Betriebsbeschrieb
Talbetrieb mit 17 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche, 1200 Meter ü. M. (Bergzone 3), Milchwirtschaftsbetrieb mit 18 Kühen und Jungvieh
Sömmerungsbetrieb : Alp Bärgli, 21 Hektaren Sömmerungsfläche
Anerkannter Lehrbetrieb